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Studie: Familien mit einem Verdiener und Alleinerziehende verlieren durch Inflation am meisten

Was haben all die Maßnahmen, die die Folgen der Inflation begrenzen sollten, tatsächlich gebracht? Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat sich unterschiedliche Gruppen angesehen und berechnet, ob sie dadurch gewonnen oder verloren haben.
Studie: Familien mit einem Verdiener und Alleinerziehende verlieren durch Inflation am meistenQuelle: www.globallookpress.com © Frank Hoermann/SVEN SIMON

Monat für Monat berichtet das Statistische Bundesamt über die Lücke, die zwischen nominaler und realer Lohnentwicklung klafft. Das Institut für Makroökonomik und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung hat nun in einer Studie versucht, die tatsächliche Belastung für unterschiedliche Gruppen zu ermitteln.

Dabei wurde sowohl die Entlastungspakete bei den Energiepreisen, die Inflationsausgleichsprämie als auch die veränderte Progression eingerechnet; in dem Papier wird also versucht, ein Gesamtnetto zu ermitteln und die gesamte Spanne seit Beginn 2022 abzudecken. Sprich, die Ausgangsbasis für alle Verluste oder Gewinne ist stets das Nettoeinkommen 2021.

"Das Ergebnis dieser Darstellung ist eine sogenannte 'Nettokaufkraftlücke', jener Euro-Betrag, den man den Haushalten noch zahlen müsste, damit die Kaufkraft ihres Nettoeinkommens von 2021 wieder hergestellt würde."

Grundlage sind Durchschnittswerte, was insbesondere im Zusammenhang mit den dargestellten Lohnerhöhungen wichtig ist, weil natürlich jene, deren Erhöhung unter dem Durchschnitt lag, mehr reales Einkommen eingebüßt haben.

Die Spanne der betrachteten Haushalte reicht vom Single mit Vollzeitjob zum Mindestlohn bis zum Paarhaushalt mit zwei Kindern oder einem Single mit hohem Einkommen.

Mit Ausnahme der Mindestlohnbezieher führen die staatlichen Maßnahmen bei allen anderen zumindest dazu, dass das Netto im Verhältnis zum Brutto steigt.

Besonders gut kamen Beschäftigte weg, die tatsächlich eine Inflationsausgleichsprämie erhielten, weil diese steuer- und beitragsfrei ist. Dabei handelt es sich aber um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Statistiken darüber, wie viele Beschäftigte tatsächlich diese Prämie, die bis zu einer Höhe von 3.000 Euro möglich ist und auch ratenweise ausgezahlt werden kann, erhalten haben und in welcher Höhe, sind noch nicht bekannt.

Die Spanne bei der Veränderung des Verhältnisses zwischen netto und brutto reicht dabei von einer Erhöhung von 79,5 Prozent auf 82,9 Prozent beim geringverdienenden Single bis zum kinderlosen Paar mit zwei Erwerbstätigen, bei dem sich von 68,2 auf 68,6 Prozent sehr wenig änderte.

Aber die Prozentwerte können täuschen. Beim resultierenden Netto – wir sind hier immer noch beim Nominal-, nicht beim Realeinkommen – hat der Single mit einem Jahreseinkommen von 50.677 Euro und Inflationsausgleichsprämie einen Nettozuwachs von 1.364 Euro gegenüber 2023. Die deutlich höhere prozentuale Veränderung beim Geringverdiener ergibt hingegen nur 514 Euro und der Single mit Mindestlohn, dessen Netto-brutto-Verhältnis sogar gesunken ist, verliert von 75,0 auf 73,4 Prozent und schon dadurch 365 Euro der nominellen Erhöhung des Mindestlohns wieder.

Interessant sind auch die errechneten haushaltsspezifischen Inflationsraten, bei denen das Paar mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen sowie die Alleinerziehende mit einem Kind bei 5,7 bzw. 5,2 Prozent, das Paar mit zwei Kindern und einem Erwerbstätigen mit 5,5 und der Single mit Mindestlohn mit 5,3 Prozent führen, während der Single mit Spitzeneinkommen von netto 82.461 Euro mit bescheidenen 4,4 Prozent davonkommt. Das ist nicht erstaunlich, weil die höchste Inflation im Bereich Lebensmittel lag und sich daher genau bei jenen am stärksten auswirkt, die relativ am meisten Lebensmittel verbrauchen.

Wenn es nun darum geht, wer absolut und relativ am meisten Reallohn verloren hat, führt relativ ganz klar das Paar mit einem Erwerbstätigen und zwei Kindern mit einem Reallohnverlust von 3,5 Prozent, gefolgt von der Alleinerziehenden mit einem Kind und dem Paar mit zwei Kindern und zwei Erwerbstätigen mit 3,1 Prozent. Den geringsten Verlust haben mit 0,2 Prozent Facharbeiter mit Inflationsausgleichsprämie. Einen Zuwachs in gleicher Höhe haben der gutverdienende Single mit 50.000 Euro netto ebenso wie der Geringverdiener; beim Mindestlohn sind das sogar 7,8 Prozent. In Geldbeträgen verliert das Paar mit einem Ernährer und zwei Kindern 1.602 Euro, die Alleinerziehende 980 Euro, und der Single mit Mindestlohn hat, dank der Erhöhung desselben, immer noch 1.353 Einkommenszuwachs.

Es ist also deutlich: Von wenigen Ausnahmen abgesehen haben die meisten vom IMK berechneten Beschäftigten trotz aller Entlastungsmaßnahmen immer noch einen Reallohnverlust, der auch durchaus signifikant sein kann; da die verschiedenen Maßnahmen aber an ganz anderen Punkten ansetzen, ist das Ergebnis sehr uneinheitlich.

Allerdings ist eine nicht allzu kleine Gruppe von Beschäftigten nicht mit einbezogen: die Aufstocker, also all jene, deren eigenes Einkommen so niedrig ist, dass sie aufzahlendes Hartz IV oder, wie es seit diesem Jahr heißt, Bürgergeld beziehen. Von den 3,8 Millionen Beziehern dieser Sozialleistung sind 22 Prozent oder etwa 850.000 Aufstocker, darunter besonders viele Alleinerziehende. Die meisten Entlastungsmaßnahmen wurden zwar, eine große Ausnahme, so verabschiedet, dass sie beim Bezug von Bürgergeld nicht angerechnet wurden, für die Erhöhung des Kindergeldes gilt das allerdings nicht.

Eben weil diese Gruppe nicht berechnet wurde, ergibt sich das seltsame Bild, dass in diesem Papier Alleinerziehende mit einem Kind mit einem Einkommen knapp oberhalb des Facharbeiterlohns mit einem Jahresnetto von 31.811 Euro bzw. einem Monatsnetto von 2.651 Euro geführt werden. In Wirklichkeit dürfte das durchschnittliche Einkommen dieser Gruppe wesentlich niedriger liegen. Andersherum dürften sich unter den Singles mit Mindestlohn viele Aufstocker verbergen, denn von 1.451 Euro kann man in den wenigsten deutschen Großstädten noch leben, weil zwei Drittel davon schon in der Miete verschwinden.

Es wäre schön, wenn die nächste Studie aus dieser Reihe, die im Verlauf des Jahres erscheinen dürfte, diesem Punkt etwas mehr Aufmerksamkeit widmen würde, um tatsächlich mehr oder weniger alle Beschäftigten abbilden zu können.

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