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Russland soll für globale Nahrungsmittelkrise verantwortlich sein – aber die Realität ist komplexer

Der anhaltende Konflikt in der Ukraine wirkt sich zweifellos auf den Anbau und die globale Versorgung mit Getreide aus. Aber ist Russland für die drohende globale Nahrungsmittelkrise allein verantwortlich? Viele Faktoren führen zu Hunger in der Welt.
Russland soll für globale Nahrungsmittelkrise verantwortlich sein – aber die Realität ist komplexerQuelle: www.globallookpress.com © Jochen Tack

Ein Kommentar von Mathew Maavak

Noch vor wenigen Monaten wurden die durch COVID-19 staatlich verordneten Lockdowns und der Klimawandel für das Szenario einer globalen Hungerkrise verantwortlich gemacht. In einer kürzlich veröffentlichten gemeinsamen Erklärung von US-Präsident Joe Biden und EU-Chefin Ursula von der Leyen wurde der aktuelle Schuldige dafür deutlich benannt: "Wir sind zutiefst besorgt darüber, wie Putins Krieg in der Ukraine zu erheblichen Störungen der internationalen Lieferketten für Lebensmittel und landwirtschaftliche Produkte geführt hat und über die Bedrohung, die dieser Krieg für die globale Ernährungssicherheit darstellt. Wir erkennen an, dass viele Länder auf der ganzen Welt auf importierte Grundnahrungsmittel und Düngemittel aus der Ukraine und Russland angewiesen sind, wobei Putins Aggression diesen Warenverkehr stört."

Das Konzept der globalen Ernährungssicherheit erscheint heutzutage so flüchtig zu sein, wie Joe Bidens Gedächtnishilfen. Zwölf Jahre ist es her, dass die Welt vom Arabischen Frühling erschüttert wurde, nach einer Reihe von Ereignissen, bei denen Hunger auch eine bedeutende Rolle spielte und die wiederum zu gewalttätigen Aufständen und noch nicht beigelegten Bürgerkriegen in Libyen, Jemen und Syrien führten. Big Tech, westliche Beamte und Social-Media-Influencer haben dieses Chaos im Namen von "Freiheit und Demokratie" angeheizt, aber nie konkrete Lösungen angeboten. Stattdessen wucherte der globale Hunger unvermindert weiter, während seine eigentlichen Ursachen durch die Linse des "Klimawandels" und mit dem Mangel an "globaler Führung" erklärt wurden.

In der Zwischenzeit werden die Straßen von San Francisco, direkt vor den Haustüren der Tech-Giganten, zunehmend von Obdachlosen bevölkert und mit menschlichen Fäkalien und weggeworfenen Spritzen übersät.

Es entstand sogar ein neues Genre innerhalb der urbanen Kunst: Poop-Graffiti – zu Deutsch: Graffiti aus Kacke. Nichts repräsentiert besser die Diskrepanz zwischen den hochtrabenden Versprechungen und den septischen Realitäten des Silicon Valley. Für den geneigten Leser hier noch etwas zum Nachdenken: Die Technologien zur Kontaktverfolgung, die verwendet wurden, um ganze Gesellschaften in den Lockdown zu zwingen, wurden nie angewendet, um die Armen mit nahe gelegenen Bauernmärkten, Tafeln oder Suppenküchen zu verbinden.

Einem vernünftigen Menschen kann man keinen Vorwurf machen, wenn er vermutet, dass es die Absicht war, Kleinbauern, Lebensmittelhändler und Kleingewerbe während des Lockdowns auszuweiden und dadurch die Bürger zu zwingen, sich den Regierungen und Big Business zu unterwerfen. Aber welche Lehren haben Technokraten, die den schmierigen Fantasien des Weltwirtschaftsforums (WEF) hinterher kriechen, seit dem verhängnisvollen Arabischen Frühling gezogen?

Hier betrachten wir zwei unentschuldbare Fehler der Anbeter der "globalen Führung". Diese sind mit genau den Themen verbunden, die Biden und von der Leyen verwendet haben, um Russland zum Sündenbock zu stempeln.

Staatliche Getreidespeicher

Der Arabische Frühling und seine blutigen Folgen hätten den Regierungen weltweit eine Lektion darüber erteilen müssen, wie wichtig es ist, staatliche Getreidespeicher einzurichten. Gut gewartete Anlagen können Weizen und Mais mehr als zehn Jahre lang lagern. Private Verbraucher können diese Haltbarkeit unter geeigneten Bedingungen auf 31 Jahre verlängern.

Weltweit geführte Statistiken über Getreide werfen auch Fragen über die Verpflichtungen von Regierungen zur Ernährungssicherheit auf. Die weltweite Weizenproduktion hat beispielsweise im vergangenen Jahrzehnt stetig zugenommen. Aus einem Bericht von Statista.com vom 27. Januar geht hervor: "Das weltweite Produktionsvolumen von Weizen belief sich im Wirtschaftsjahr 2020/21 auf etwa 772 Millionen Tonnen. Das war eine Steigerung von rund zehn Millionen Tonnen im Vergleich zum Vorjahr. Es wird geschätzt, dass die Weizenvorräte bis 2021 weltweit auf etwa 294 Millionen Tonnen steigen."

Obwohl diese Zahlen ständig aktualisiert werden, wenn neuere Daten eintreffen, gab es trotz unerbittlicher globaler Lockdowns tatsächlich eine Rekordproduktion von Weizen. Die meisten Regierungen taten jedoch wenig, um Lebensmittelvorräte aufzubauen oder zu erweitern.

Getreidespeicher waren ein unverzichtbares Merkmal früherer Zivilisationen. Die Bibel erzählt, wie Joseph, der Sohn von Jakob und Rachel, Ägypten durch sieben Jahre Hungersnot führte, indem er in sieben Jahren des Überflusses staatliche Getreidespeicher einrichtete. Tausende von Jahren später jedoch sind unsere modernen Weisen fasziniert vom WEF-Mantra "Du wirst ab 2030 nichts besitzen und glücklich sein". Schließt das den Besitz von echten Lebensmitteln ein? Ich frage das, weil das WEF derzeit – neben anderen Wundern – an der Förderung von synthetischem Fleisch und Gaumenschmaus aus Insekten arbeitet.

Wenn eine Regierung es trotz der Erfahrungen aus dem Arabischen Frühling versäumt hat, einen strategischen Lebensmittelvorrat anzulegen, sollte sie nicht Russland oder der Ukraine die Schuld dafür geben, wenn die Kacke in die Hose geht.

Düngervorräte

Leider ist unsere Welt im Stil der sowjetischen Planwirtschaft übermäßig zentralisiert, was die damit verbundenen Risiken für die globalen Lieferketten mit sich bringt. Eine akute Knappheit von Düngemitteln kommt nun dazu.

Sanktionen und das Einfrieren russischer Vermögenswerte in Höhe von weltweit 300 Milliarden US-Dollar wurden von Engpässen bei den Exporten von Getreide und Düngemitteln begleitet. Der eskalierende Energiekrieg zwischen Russland und Europa treibt auch die Preise für Erdgas und wichtige Folgeprodukte in die Höhe.

Düngemittel werden hauptsächlich aus Stickstoff, Phosphor und Kalium hergestellt. Stickstoff und Ammoniak, eine Komponente aus Stickstoff und Wasserstoff, werden aus Erdgas gewonnen. Unsere Ernährungssicherheit ist daher untrennbar mit der Produktion fossiler Brennstoffe verbunden. Dies ist eine unveränderliche Realität, die Öko-Militante gerne vergessen.

Während sich die Militäroperation in der Ukraine hinzieht, wagen es nur wenige, über das Endspiel zu spekulieren. Bloomberg warnt jedoch, dass zum "ersten Mal überhaupt, Landwirte auf der ganzen Welt – alle gleichzeitig – die Grenzen austesten, um zu erfahren, mit welch geringstmöglichen Mengen an chemischen Düngern sie auskommen können, ohne dabei ihre Ernten bis zur Erntezeit vernichtet zu sehen". Noch bedrohlicher ist, dass die Zahl der Düngemittel produzierenden Fabriken weltweit bei dürftigen Hunderten liegt. Mit anderen Worten: Die weltweite Agrarproduktion wird in den kommenden Monaten sowohl qualitativ als auch quantitativ einbrechen.

Der Astrophysiker David Friedberg zeichnet ein alarmierenderes Bild. Die anhaltende Pattsituation zwischen Russland und dem Westen kann zum Hungertod von weiteren Hunderten Millionen Menschen führen – zusätzlich zu den 800 Millionen, die bereits jetzt täglich Hunger leiden müssen. Unsere zentralisierten globalen fertigungssynchronen Lieferketten (FSL) ermöglichen nur eine 90-tägige Nahrungsmittelversorgung für den gesamten Planeten. Der anhaltende Mangel an Säuglingsnahrung in den USA steht in direktem Zusammenhang mit den Fallstricken einer zentralisierten FSL-Produktion.

Hätte diese Katastrophe abgewendet werden können? Der Westen und Russland waren seit 2014 auf Kollisionskurs – unmittelbar nach Moskaus Wiedereingliederung der Krim in die Russische Föderation. Die Welt hatte acht lange Jahre Zeit, um sich auf eine Eskalation im neuen Kalten Krieg zwischen Russland und dem Westen vorzubereiten. Da Russland seine Goldreserven stetig ausbaute, hätte der Westen, in der Aussicht einer geopolitischen Eskalation, ebenfalls Dinge identifizieren, evaluieren und lagern können, die er aus Russland benötigt. Ganz oben auf dieser Liste hätten Düngemittel und lagerfähige Lebensmittel stehen sollen. Stattdessen interessierte sich der Westen mehr für Pussy Riot und die Förderung einer liberalen Agenda.

Letztlich gibt es absolut keine Entschuldigung für die kriminelle Nachlässigkeit der westlichen Regierungen. Für diejenigen, die sich für die Langlebigkeit von gelagertem Dünger interessieren, sind hier einige Fakten von einer Webseite für Hobbygärtner: Flüssige chemische Düngemittel können ein Jahrzehnt lang gelagert werden, während flüssige organische Düngemittel eine Haltbarkeit von 5 bis 8 Jahren haben. Trockener körniger oder kristalliner Dünger ist unbegrenzt lagerbar. Wo also sind die Lager für Düngemittel, in die man das Zeugs hätte reinstopfen können?

Fäkalienfarmen

In den kommenden Monaten könnte die EU versucht sein, chemische Düngemittel aus Russland durch Klärschlamm aus menschlichen Abfällen zu ersetzen.

Ein kürzlich erschienener Artikel auf Mongabay warnt jedoch: "Menschliche Ausscheidungen – einschließlich der Ausscheidung von Arzneimitteln und Mikroplastik, die in Fäkalien und Urin enthalten sind – stellen eine große Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar, verursachen Krankheitsausbrüche und gefährden die Artenvielfalt." Menschliche Ausscheidungen enthalten eine Vielzahl von Verunreinigungen und gefährlichen Krankheitserregern, die komplette Lebensmittelketten beeinträchtigen können. Schadstoffe wie Nanoplastik lassen sich mit herkömmlichen Mitteln nicht herausfiltern.

Trotz der offensichtlichen Risiken importierte das Vereinigte Königreich Berichten zufolge im Jahr 2020 für seinen landwirtschaftlichen Bedarf ganze 27.500 Tonnen Klärschlamm aus den Niederlanden. Westeuropäische Landwirtschaftsbetriebe sind aufgrund ihrer Verwendung von Klärschlamm nun zum weltweit größten Reservoir von Nanoplastik geworden. Der qualitative Verfall des Ackerlandes in der EU könnte sich verschärfen, wenn sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hinzieht.

Ob eine Hungersnot die Welt bis Weihnachten heimsuchen wird, ist unklar. Aber man soll sich nicht täuschen: Leidtragende werden vor allem die ärmeren Gesellschaften sein – vor allem in Afrika, dem Nahen Osten und Südasien. Selbst wenn Russland und die Ukraine morgen einen Waffenstillstand unterzeichnen und Normalität in diese Region zurückkehrt, stehen viele Teile Chinas vor beispiellosen Lockdowns aufgrund von COVID-19. Die Schrauben und Muttern der Weltwirtschaft dümpeln jetzt ziellos in unzähligen Schiffen entlang der Küsten Chinas. Dazu gehören auch für die Landwirtschaft wichtige Güter.

Interessanterweise hat die WHO Chinas Null-COVID-Politik als "nicht nachhaltig" bezeichnet, was eine deutliche Abkehr von früheren Lobpreisungen darstellt, mit denen zum Beispiel Neuseeland dafür gelobt wurde, als es die gleiche Politik anwandte. In diesem Kessel des Wahnsinns wurde unsere kollektive Zukunft kürzlich so zusammengefasst: "Der ganze Planet ist ein kochender Wasserkessel, und wir Menschen sind alles Frösche, die da drin sitzen."

Übersetzt aus dem Englischen.

Mehr zum Thema - Putin: Russland erwartet die größte Weizenernte aller Zeiten

Dr. Mathew Maavak ist ein malaysischer Experte für die Vorhersage von Risiken und deren Lenkung. Er schreibt regelmäßig für das Magazin Eurasia Review. Twitter @MathewMaavak, GETTR @Maavak.

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.