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"Klimaschutz" – US-Geoengineering-Startup will mit Beeinflussung der Erdatmosphäre begonnen haben

Ein US-amerikanisches Start-up soll ohne die dafür erforderliche Genehmigung Geoengineering betrieben haben. Angesichts unkalkulierbarer Folgen gilt das Projekt unter Wissenschaftlern als hoch umstritten. Sollte es den Jungunternehmern tatsächlich gelingen, genügend sonnenlichtreflektierende Schwefelpartikel in der Atmosphäre zu verteilen, könnte der Erde nämlich ein ähnliches Schicksal wie der Venus drohen – und auf der kann bekanntlich kein Leben mehr existieren.
"Klimaschutz" – US-Geoengineering-Startup will mit Beeinflussung der Erdatmosphäre begonnen habenQuelle: Gettyimages.ru © Vitalij Cerepok / EyeEm

Das Klima auf der Erde erwärmt sich derzeit, und das Potenzial für schwerwiegende Folgen in der Zukunft ist groß. Doch ist die Lage tatsächlich so schlimm, dass wir anfangen dürfen oder gar müssen, die Atmosphäre zu manipulieren? Das US-amerikanisches Start-up Make Sunsets ist offenbar dieser Meinung und hat nach eigenen Angaben bereits damit begonnen, Schwefelpartikel in die Erdatmosphäre abzugeben, um den Klimawandel durch Abdämpfen des Sonnenlichts zu bekämpfen. Das aber ist ein experimentelles Wagnis, das vonseiten der Wissenschaft auf das Schärfste verurteilt wird.

Das Konzept des sogenannten Solar Geoengineering ist einfach: Die obere Atmosphäre wird mit lichtreflektierenden Schwefelpartikeln angereichert, um die Menge des aus dem Weltraum bis zum Erdboden gelangenden Sonnenlichts zu verringern und so die Erde abzukühlen. Inspiriert ist die Idee von den atmosphärischen Nebenwirkungen großer Vulkanausbrüche, die im Laufe der Geschichte immer wieder zu dramatischen vorübergehenden Klimaveränderungen geführt haben. Zuletzt wurde das im Jahr 1815 beobachtet, als bei einem Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora etwa 130 Megatonnen Asche und Schwefel in die Atmosphäre geschleudert wurden. Ein Amerikaner, der Klimaforscher William Jackson Humphreys, fand 1920 heraus, dass die Eruption auf Sumbawa eine der Ursachen für eines der seltsamsten Klimaphänomene der Neuzeit war: für das berüchtigte "Jahr ohne Sommer" von 1816.

Make Sunsets benötigt für seine Klimamanipulationsversuche hingegen keinen Vulkan; sondern lediglich Wetterballons, die hoch in die Stratosphäre aufsteigen und kleine Wolken aus Schwefelpartikeln freisetzen. Nach Angaben des Unternehmens soll dabei bereits ein Gramm Schwefel, das in die obere Atmosphäre entlassen wird, einer Tonne Kohlendioxid-Emissionen über einen Zeitraum von einem Jahr entgegenwirken können. Zwar haben Wissenschaftler diese Form des Geoengineering seit Jahren abstrakt untersucht. In der Realität tatsächlich in großem Maßstab getestet wurden sie von Forschern hingegen noch nicht.

Denn ein solcher Eingriff könnte durchaus auch bislang unvorhergesehene Folgen für Mensch und Umwelt haben. So klingt das Projekt des Start-ups auf dem Papier zwar vielversprechend, doch birgt dieser unkalkulierbare Versuch von Geoengineering das Risiko, noch mehr Probleme zu verursachen als lösen zu können. Mehrere Experten auf dem Gebiet des Geoengineering, die von der Redaktion des MIT Technology Review kontaktiert wurden, haben das Unternehmen für seine Pläne deshalb scharf kritisiert.

Luke Iseman, CEO von Make Sunsets, zeigte sich davon nicht sonderlich überrascht. Das Unternehmen sei zu gleichen Teilen unternehmerisch und provokativ, erläuterte er gegenüber der Fachzeitschrift. Er verstünde auch die negativen Reaktionen, da sein Vorhaben ihn wie einen Bond-Bösewicht aussehen lasse. Und wie alle guten Bond-Bösewichte hat auch Iseman ein ausländisches Versteck, von dem aus er seinen heimtückischen Plan ausführt – in diesem Fall Baja California.

Laut Iseman fanden die ersten beiden Ballonstarts des Unternehmens demnach bereits im vergangenen April in Baja California statt. "Die Ballons waren mit ein paar Gramm Schwefel und genügend Helium beladen, um sie hoch in die Atmosphäre zu bringen, aber wir wissen nicht, wie hoch sie letztlich kamen", erklärte Iseman. Ziel sei es demnach gewesen, die Ballons in der Stratosphäre zum Platzen zu bringen. Ob dies gelang, bleibt angesichts der Tatsache, dass die Ballons über keine Messinstrumente verfügten, aber völlig unklar. Unklar ist dagegen insbesondere auch, welche Auswirkungen die Aussetzung der Partikel auf die Atmosphäre hatten. 

Wir wissen zwar, dass Schwefelpartikel das Sonnenlicht weg von der Erde streuen und den Planeten dadurch abkühlen können, aber die unbeabsichtigten Folgen sind weniger gut erforscht und könnten katastrophal sein. Einige Studien deuten darauf hin, dass die Zugabe von Schwefel über der Nordhalbkugel zu massiven Dürren in der Sahelzone, im Amazonas-Regenwald und anderen Gebieten auf der Erde führen könnte. Ebenso könnte die Zugabe von Schwefel über der südlichen Hemisphäre die Zahl der atlantischen Wirbelstürme in der nördlichen Hemisphäre drastisch erhöhen. Und wenn erst einmal genug Schwefel in der Atmosphäre vorhanden sein sollte, könnte der Erde womöglich gar ein ähnliches Schicksal wie der Venus drohen – und auf der bekanntlich aufgrund der Treibhauseffekts und der Temperaturen um 500 Grad Celsius kein Leben mehr existieren kann.

Trotz diverser Unterschiede hat die Venus zuweilen nämlich noch immer viele Gemeinsamkeiten mit der Erde, und wir können viel von unserem nächsten Nachbarn lernen, was sich vor dem Hintergrund nicht autorisierter Geoengineering-Versuche später vielleicht sogar einmal als rettender Anker für unseren schönen Heimatplaneten erweisen könnte. Ein Beispiel dafür ist in diesem Zusammenhang die jüngste Entdeckung bezüglich der hoch gelegenen Schwefeldioxidschicht der Venus durch die Europäische Weltraumorganisation (ESA). Den ESA-Astronomen gelang es nämlich, das Zustandekommen der dicken Wolkenschicht des Planeten zu enträtseln und die bahnbrechenden Forschungsergebnisse in der begutachteten Fachzeitschrift Nature Geoscience der Fachwelt vorzustellen.

Der Treibhausplanet Venus ist von einer Schicht sich schnell bewegender Säurewolken umhüllt, die uns den Blick auf die Oberfläche unseres Nachbarn versperren. Die dichten Wolken streuen etwa 80 Prozent des von der Sonne empfangenen Lichts zurück ins All. Wissenschaftler erklären mit diesem Phänomen die sehr hohe Albedo der Venus (also den Anteil des einfallenden Sonnenlichts, der reflektiert wird). Deshalb ist die Venus auch mit bloßem Auge so hell zu erkennen und wurde vor langer Zeit eher als wandelnder Stern denn als Planet betrachtet.

Die dicke Wolkenschicht der Venus bildet sich in etwa 50 Kilometern Entfernung von der Planetenoberfläche, wo sich das Schwefeldioxid aus den sich auf dem Planeten befindlichen zahlreichen Vulkanen mit Wasser zu Schwefelsäure verbindet, einer der am stärksten ätzenden Substanzen in der Natur. Verbleibendes Schwefeldioxid wird durch die Sonneneinstrahlung oberhalb von 70 km schnell zerstört. Doch ein Rätsel blieb: Die Wissenschaftler konnten weder feststellen, warum Schwefeldioxid in 90 km Höhe gefunden wurde, noch woher es kam.

Computersimulationen, die der Wissenschaftler Xi Zhang vom California Institute of Technology in den USA zusammen mit Kollegen aus Frankreich, Taiwan und den USA durchführte, zeigten, dass Tröpfchen aus Schwefelsäure aus den Tiefen der Atmosphäre bis zu den Wolkengipfeln des Planeten transportiert werden. In großer Höhe verdampfen einige dieser flüssigen Tröpfchen und setzen gasförmige Schwefelsäure frei, die dann durch das Sonnenlicht zersetzt wird und Schwefeldioxidgas freisetzt. Die Bedeutung, die die Entdeckung für unseren Planeten hat, ist angesichts der bereits länger diskutierten Pläne, die Klimaerwärmung durch die Injektion von Schwefelpartikeln in die Erdatmosphäre abzuschwächen, nämlich erheblich.

Der inzwischen verstorbene Nobelpreisträger Paul Crutzen, ehemals Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, war einer der wenigen Atmosphärenforscher, die sich offen für die Injektion von Schwefeldioxid in über 20 km Höhe über der Erde aussprechen, um so den unter anderem durch Kohlendioxidemissionen verursachten Klimawandel zu bekämpfen. Da die Sonne die Erde seiner Ansicht nach zu stark erwärme, sei es demnach an der Zeit, so Crutzen, einen "Schirm" zu spannen. Damit meinte der Wissenschaftler eine Schicht von Stoffen, die absichtlich in die Atmosphäre geschleudert wird, um unseren Planeten zu kühlen.

Ähnlich wie die Firma Make Sunsets, stützte Dr. Crutzen seine Idee auf Beobachtungen, die infolge des Ausbruchs des Mount Pinatubo gemacht wurden. Auch bei dem Vulkanausbruch im Jahr 1991 wurden schwefelhaltige Partikel hoch in die Stratosphäre geschleudert. Die verstärkte Reflexion der Sonnenstrahlung in den Weltraum durch diese Partikel senkte die Temperatur der Erdoberfläche im Jahr nach diesem Ausbruch nachweislich um durchschnittlich 0,5 Grad Celsius. 

Die Ergebnisse von Dr. Zhangs Studie sollten jedoch eine deutliche Warnung sein – und zwar für alle diejenigen, die wie Dr. Crutzen oder Iseman von Make Sunsets mit weitgehend unerforschten Methoden versuchen wollen, die Zusammensetzung unserer Atmosphäre angesichts der Klimaerwärmung verändern zu wollen. Zuerst müssen wir unser Verständnis des Schwefelkreislaufs erweitern, bevor wir auch nur davon träumen dürfen, ihn für die Erreichung von Klimazielen zu nutzen. So könnten auch die weitere Erforschung und ein noch tieferes Verständnis der Prozesse in der Venusatmosphäre schließlich zu einem besseren Verständnis unseres eigenen Planeten führen, insbesondere wenn wir die langfristigen Auswirkungen eines solchen Experiments auf das Klima der Erde betrachten.

Wir müssen die möglichen Folgen einer solchen künstlichen Schwefelschicht in der Erdatmosphäre sehr genau untersuchen", mahnte auch Jean-Loup Bertaux von der französischen Akademie CNRS und der Universität Versailles-Saint-Quentin. "Die Venus hat eine enorme Schicht solcher Tröpfchen, so dass alles, was wir über diese Wolken lernen, wahrscheinlich für das Geo-Engineering unseres Planeten von Bedeutung sein wird." Denn immerhin steht die Gefahr im Raum, dass sich das Ökosystem der Erde durch Geoengineering womöglich dauerhaft verändern könnte und wir in eine Ära des Klimawandels eintreten, die vier- bis sechsmal schlimmer ist als die derzeitige, so die Forscher. So könnte sich zu viel Schwefel zum Beispiel negativ auf das in unserer Atmosphäre vorhandene, lebensschützende Ozon auswirken. Da sich Schwefelaerosole in der Stratosphäre zudem nicht lange halten, müssten dauerhaft Unmengen an Partikeln dorthin verbracht werden. 

Wenn dieses System der Schwefelzugabe dann irgendwann versagt, würden CO₂ und Methan den Planeten schnell und gleichzeitig erwärmen. Die Ökosysteme würden noch schneller aus dem Gleichgewicht geraten.  Auch würde die Versauerung der Ozeane unvermindert weitergehen. Den Gründern von Make Sunsets scheinen die mit ihrem Versuch einhergehenden Risiken jedoch derzeit noch völlig egal zu sein. So will das Unternehmen nach Angaben seines CEOs in Zukunft noch mehr Schwefel in die Atmosphäre bringen. Diese vermeintlich "gute Tat" lässt sich das Start-up schließlich von Befürwortern gut bezahlen – ein sogenannter "Cooling Credit" von Make Sunsets kann für zehn US-Dollar gekauft werden. Für die umstrittenen Pläne soll das Start-up laut eigenen Angaben von Investoren mittlerweile schon 750.000 US-Dollar an Kapital eingeworben haben. 

Die von Make Sunsets bereits im Frühjahr des nun zu Ende gehenden Jahres hochgelassenen "Wetter"-Ballons dürften angesichts der darin enthaltenen geringen Schwefelmenge allerdings noch keinen allzu großen Schaden angerichtet haben. Sie dürften im Zuge des Experiments wohl weniger als 10 Gramm verbreitet haben. Zum Vergleich: Ein Flugzeug stößt nämlich bis zu 100 Gramm an Schwefelpartikeln aus – pro Minute!

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